Sachgebietsleitung erfüllt nicht die Voraussetzungen der EG 11 EGO TVöD/VKA

Kommentar zum Beschluss des LAG Niedersachsen vom 13.01.2023 - 6 Sa 139/22 E

Der Sachverhalt

Die Beschäftigte ist als Sachgebietsleiterin des Sachgebiets Personal und Organisation" sowie "Personal-, Organisation-, Grundsatzangelegenheiten/Berichtswesen" in den EG 10 EGO/TVöD VKA eingruppiert. Sie ist Verwaltungsfachwirtin mit bestandener Angestelltenprüfung II.

Sie begehrt die Eingruppierung in EG 11 EGO/ TVöD VKA

Die auszuübenden Tätigkeiten umfassen die Mitarbeiterführung und Organisation des Sachgebietes sowie die fachliche Bearbeitung unterschiedlichster Themen.

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Dazu gehören:

  • fachliche und disziplinare Führung von 9 Mitarbeitenden

  • verantwortlich für die Abwicklung sämtlicher personalrechtlicher Angelegenheiten im Sachgebiet

  • Sicherstellung der rechtskonformen Personalsachbearbeitung für ca. 105 Beschäftigte und Beamtinnen/Beamten im gesamten Fachbereich

  • Verantwortung für die Ausschreibung und Vergabe von Leistungen für den Fachbereich nach UvGo und VOL-B

  • Verantwortung der Fortbildung der Mitarbeiter*innen durch die Weitervermittlung von Kenntnissen und Erfahrungen

  • Bearbeitung schwieriger rechtlicher Einzelfälle des Sachgebiets

  • Vertretung des Sachgebietes innerhalb des Fachbereiches sowie gegenüber anderen Fachbereichen

  • Führen von Personalgesprächen für die Erstellung und Überwachung von Zielvereinbarungen sowie für die Hilfestellung und Unterstützung in Problemlagen im gesamten Fachbereich

  • Prüfung von Pflichtverletzungen der Beschäftigten und Erstellen eines unterschriftsreifen Vorschlags geeigneter arbeitsrechtlicher Maßnahmen zur Weiterleitung an die Bereichsleitung

  • Ausbildung von Nachwuchskräften

  • Personalgewinnung

  • Kurzfristige Personalplanung z. B. anstehende Verrentung (Die mittel- und langfristige Personalplanung obliegt der Bereichsleitung.)

  • Personalbewirtschaftung für den gesamten Fachbereich einschließlich der Bearbeitung von Stellenplanangelegenheiten, Arbeitsplatzbeschreibungen, Stellenbewertungen, Stellenausschreibungen und Stellenbesetzungsverfahren

  • konzeptionelle Entwicklung, Weiterführung und Steuerung von Projekten, insbesondere aufgrund neuer gesetzlicher Aufgaben

  • Bearbeitung von Grundsatzangelegenheiten

  • Berichtswesen im Fachbereich
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Die Entscheidung des Gerichts

Nach den Feststellungen des LAG Niedersachsen bilden alle auszuübenden Tätigkeiten der Sachgebietsleitung einen Arbeitsvorgang. Dessen Arbeitsergebnis ist die umfassende Leitung des Sachgebietes. Die Leitungstätigkeit besteht in der Koordination der im Sachgebiet zu leistende Tätigkeiten, die Organisation dieses Sachgebietes, dessen Vertretung nach innen und außen, die Mitarbeit in entsprechenden Gremien sowie der Ausübung der Personal- und Fachverantwortung. Die einzelnen Tätigkeiten der Klägerin sind dabei insgesamt darauf gerichtet, die im Sachgebiet OE 23 zu bewältigen Aufgaben durch den Einsatz der personellen und finanziellen Ressourcen bestmöglich zu organisieren und zu erledigen. Ihr kommt die Gesamtverantwortung für das Sachgebiet zu.

Für die Feststellung der Voraussetzungen der Entgeltgruppe 11 ist es nicht erforderlich, dass die für die Höherwertigkeit maßgebenden Einzeltätigkeiten innerhalb des Arbeitsvorganges zeitlich überwiegend anfallen. Vielmehr genügt es, dass die Anforderung in rechtlich nicht ganz unerheblichem Ausmaß anfallen und ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt würde (BAG, 13.5.2020 - 4 AZR 173/19- Rn. 41).

Die Beschäftigte erfüllt als ausgebildete Verwaltungsfachwirtin mit bestandener Angestelltenprüfung II und entsprechender Tätigkeit die Voraussetzungen der EG 9 b FG 2. EGO/TVöD-VKA.

Die Tätigkeiten erfüllen die Voraussetzungen der EG 9c EGO/TVöD-VKA. Die besondere Verantwortung ergibt sich aus der Stellung der Beschäftigten als Sachgebietsleiterin und der damit verbundenen Verantwortung, für die ihr unterstellten Beschäftigten.

Die Tätigkeiten erfüllen nicht das Tarifmerkmal der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung.

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Gegen die Bedeutung spricht:

  • Die Beschäftigte leitet ein kleines Sachgebiet mit nur 9 unterstellten Beschäftigten.

  • Die Unterstellten sind sowohl Tarifbeschäftigte als auch Beamte, die in die Besoldungsgruppe A 10 und A 11 eingruppiert seien. Die Behauptung, es sei im Verwaltungsgefüge unüblich, dass Leitungskräfte in die gleiche Vergütungsgruppe eingruppiert seien, wie die ihnen unterstellten Mitarbeitenden, rechtfertigt jedoch nicht ohne weiteres die Charakterisierung ihrer Tätigkeit als besonders bedeutungsvoll.

  • Dass die Beschäftigte als Erstbeurteilerin für die ihr nachgeordneten Beschäftigten tätig wird und diese deshalb fortlaufend in fachlicher Hinsicht zu kontrollieren hat, ist originärer Bestandteil ihrer Leitungstätigkeit, die bereits die Entgeltgruppe 9c EGO/TVöD-VKA begründet hat.

  • Die Sicherstellung der rechtskonformen Personalsachbearbeitung für 105 Beschäftigte und für Beamte des Fachbereiches, ist bereits Bestandteil ihrer besonderen Verantwortung als Leiterin des Sachgebietes.

  • Auch die zu verantwortende Personalplanung, Personalgewinnung und Personalbewirtschaftung für den gesamten Fachbereich sind Inhalt der Leitung des Sachgebiets. Soweit die Klägerin alle Mitarbeitende des Fachbereiches in arbeits- und tarifrechtlichen sowie beamtenrechtlichen Fragestellung berät, deckt sich das wiederum mit dem fachlichen Aufgabenbereich des von ihr geleiteten Sachgebietes.

  • Die Durchführung von Arbeitsschutzmaßnahmen und Gefährdungsbeurteilung im Rahmen des Mutterschutzes sowie Erfahrungsstufen bis zur Entgeltgruppe 11 sind der "besondere Schwierigkeit" zuzuordnen.

  • Die kurzfristigen Personalplanungen haben keine erheblichen Auswirkungen auf den innerdienstlichen Bereich, denn diese Entscheidungen sind nicht zukunftsweisend, strategisch und/oder grundsätzlich.

  • Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Sachbearbeitung und den möglichen Folgen, z. B. unrichtiger Sachbearbeitung und dass Beschäftigte ggf. nicht das Ihnen zustehende Gehalt oder zu wenige Urlaubstage erhalten würden, sind der Sachgebietsleitung zuzuordnen und damit über "besondere Verantwortung der Entgeltgruppe 9b" bereits verbraucht.

  • Das Erkennen von Gesundheitsgefährdungen von Beschäftigten, hierauf zu reagieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, betreffen das erforderliche umfassende Fachwissen und sind der besonderen Schwierigkeit zuzuordnen.

  • Bei Vertragspflichtverletzungen von Mitarbeitenden entscheidet die Beschäftigte nicht über den Ausspruch einer Ermahnung, einer Abmahnung oder einer Kündigung. Ihr obliegt allein die vorgelagerte - nicht bindende - Prüfung, ob das Arbeitsverhältnis weniger bzw. im Bestand gar nicht gefährdende Reaktionen oder Maßnahme ausreichend sein können, um dem gezeigten Leistungsmangel zu begegnen.

  • Die Verantwortung für die Ausschreibung und Vergabe von Leistungen für den Fachbereich nach UvGo und VOL/B und auch die Bearbeitung schwieriger Sachverhalte sind der besonderen Schwierigkeit zuzuordnen. Zum Inhalt und finanziellen Volumen ihrer Tätigkeiten hat die Beschäftigte vorgetragen.

Insgesamt kam das LAG Niedersachsen zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeiten der Entgeltgruppe 9b EGO TVöD/VKA zuzuordnen sind. Die Beschäftigte sei darüber hinaus ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen.

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(Artikel erstellt am 20.09.2023)

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Die Verfasserin

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RAin Britta Ruiters
Rechtsanwältin und PIW-Trainerin

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